Diesseits ist Jenseits

Zuerst der Kauf von lettre wg. der Krahl-Anzeige. Dann auf dem Weg an den Büchterstapeln vorbei fällt der Blick einzig auf "Die Pendragon-Legende" von Antal Szerb. Ich denke aus einem unklaren Grund an Oktogon, merke mir das Buch vor. In der U-Bahn der Blick auf die Lettre. GEISTERGESPRÄCHE. Erinnerungen an Derrida, Hamvas, Milosz von Hélene Cixous, Gabor Altorjay, Seams Heaney. Ich überlese das Wort "von" und lese nur eine Namensliste von Erinnerten. Gabor Altorjay ist tot. Ein Schrecken, der ein Weiterlesen unmöglich macht. Ein Erinnern. Heute lese ich endlich die lettre, Gabor ist nicht tot. Sein Artikel über Béla Hamvas beginnt so: "Meine Tante Ròzsika in Budapest, kurz vor ihrem Tod mit 97, wurde wütend, als ich sie nach Béla Hamvas, dem Autor des 1.500-Seiten-Romans Karneval befragte. Sie wollte ihm nicht verzeihen, daß er ihren Freund Antal Szerb 1944 "in den Tod geschickt" habe." Diesseits ist Jenseits (Hamvas)

Freiheit ist, woanders neu anzufangen…

Ich will unter dem Titel unbedingt noch was schreiben, obwohl ich nicht weiß, ob es was richtiges wird.
Weil Herr Ein-und-Alles ihn mir resultierend aus seiner heutigen philosophischen Fortbildung mitgeteilt hat, weil es mich bis ins Mark trifft.
Es gibt Privatconfessionen, die man notwendig für problematisch hält, die da plötzlich mit philosophischen Weihen daherkommen. So ähnlich wie mit dem Rechtsstaat: Auf einmal wird etwas allgemein, das man für ein individuell-unmittelbares Spezialgeheimnis hielt. Obwohl ich ja immer alles mitteilen und letztlich missionieren will.
Freiheit? In die Fremde zu gehen heißt auch, nicht alles aus sich selbst entwickeln und explorieren zu können, nirgends hält man mehr den eigenen inneren Kern fest als Wappnung wie in der Fremde. Ja: Man entwickelt sogar Hobbys und Schrulligkeiten, von denen man jahrelang nichts wusste. In der Fremde wurde ich häuslich.
Man wählt die Veränderungszumutung von außen, weil es von innen zu machen einem zu schwer fiele.
Die Fremde ist KEIN Paradies. Sie ist einfach nur die Zumutung, von der man weiß, dass man sie gegen sich selbst erheben müsste: Deswegen wählt man ein Außen, das sie erhebt.
Und das ist gut so.
Es gibt einen einzigen Menschen, den ich um sein Leben beneide, und der heißt: Cees Noteboom. Obwohl ich das einzige Buch von ihm, das ich in Fingern hatte: Allerseelen, nicht besonders mochte. (Und es auch vor unserm Umzug nach Bockenheim wegschmiss, weil es mir auf Lanzarote ins Wasser fiel.)Aber ich habe ihn im Fernsehen gesehen, irgendwann: Und er schreibt und er reist und er hat eine uralte Mutter – sagte im Interview: WIR (????) sind alte Kinder… Er ist ca. 70. Beneidenswert.

Ökumenisches Kochen

Telefongespräch. Reden. Denken. Ich: unaufmerksam als das Thema Tod im Leben auftaucht (ungarisch). Ich bereue.
Geredethaben, aufgelegt, kochen.
Die Spaghettini von gestern warten auf ihre Knoblauch-Sahne-Soße, in der sie sich hinreichend wohlfühlen. Ich finde im Schrank die Dose mit den Champignons mit ganz großen ganzen Köpfen. Bin multipel glücklich & froh: Ich plane, wie ich dem Liiiebsten mitteile, dass es mir gelang, ganz ohne Beschwerden eine DOSE zu öffnen – er, der immer Dose mit Soße verwechselt und deswegen beides gleich ausspricht, Kuss! – wie ich ihm gleichzeitg mitteile, dass Dosenchampignons, kalt und direkt genossen, die Freuden meiner Kindheit waren, wie ich ihm mitteile, dass ich weiß, dass diese perverse Pilzdose nur von ihm sein kann – und dass ich sie schon deswegen mag. Und letztens: Wie toll ich es finde, dass eine solche Dose wegkommt, bevor es zu spät ist, denn speziell Champignon- und Maisdosen übderdauern ja in jeglichem Küchenschrank ihre langjährige Haltbarkeitsdauer.
Dann geht alles schief: Und ich säble tatsächlich wieder ungelenk und in alle Richtungen und verzweifelnd und neuen, jetzt schon unkoordinierten, Mut nehmend an dieser Dose rum.
Natürlich schaffe ich es, wie immer alles, dem ich nicht gewachsen bin. Irgendwann klickern diese Riesenkopfchampignons auf die Nudeln und ich lecke mir an der Konservierungssoße die Finger ab, wie als Kind.
Und dann fiel es mir plötzlich wieder ein: Es war tatsächlich, während ich da stand bei irgendeiner Dosenpilzsession, etwa siebenjährig, und während ich die rohen, konservierten leckte, sagte ich irgendetwas, was meiner Mutter nicht passte. Und als sie mit diesen engen, gepanikten Augen schaute, sagte ich:“Ja was, ist das jetzt etwa eine Todsünde?“ Und die Augen wurden noch enger, das Gesicht panischer. Sie sagte: „WO-HAST-DU-DIESES-WORT-HER. Todsünde. Das gibt es bei UNS nicht, das ist katholisch.“
So war das: wirklich. Mir egal: Gleich gibt´s nen großen Teller Nudeln.

Gott hat viel Arbeit, aber keine Frau

Leibniz: Monaden können nicht miteinander kommunizieren, sondern nur über und mit Gott. Die ganze Welt bestehe aus Kommunikation.
link
Irgendwie ist das wohl so gedacht, dass diese fensterlosen Entitäten einen Moderator haben, der aber nicht bei Antenne Thüringen arbeitet, sondern ganz groß supervisorisch und durch seine für eine Theodizee-perfekte Harmonie (!) prästabilisierende Leistung auch den Glauben ins allgemeine Geplapper stärkt. So weit, so sehr schön protestantisch: Schließlich sind wir für die Bilder und für Riten in Sprachen, die wir nicht verstehen, nicht zu haben. Fürs Gerede schon.
Andererseits: Dann brauchte ER irgendwann diese Mitarbeiter, die Fernsehmoderatoren, Paartheraputen, Rhetoriktrainer.
Ganz zu schweigen von den ABM-Maßnahmen, wie Kommunikationskompetenznetzwerke sie bieten. Die Sache ist etwas entglitten. Braucht er jetzt eine Organisationsberatung?
Andererseits, wiederum: Jedes einzelne „Warum Männer und Frauen / Ossis und Wessis / x und y … sich einfach nicht verstehen können“-Buch gibt dem Universalgenie L. recht. Ich geb ihm auch recht.

KEIN Kommentar

Alle Männer heißen…
wenn´s mal nur das wäre.
Unter der Überschrift Ein schöner Fisch trifft eben dieser ein Flugzeug. Und dann:

„Wie heißt du?, fragte der Fisch.
Hans, sagte das Flugzeug. Ich bin Hans, das lachende Flugzeug, und es wundert mich sehr, dass du mich nicht kennst, denn ich bin weltberühmt.
Ich kenne keine Flugzeuge!, rief der Fisch.“

Aus: Funny van Dannen, Neues von Gott, S. 59.

[Zwischen Namensbetrachtungen und -sammlungen und Pöbeleien liegen Welten, wie zwischen tageslichter Produktion und nächtlichem „Kommentieren“]

Monadologie heute

„Eine Karawane von Monaden, im Geschirr der Headsets, stürmt die Avenues im Laufschritt, konzentriert auf seine elektronischen Flirts“.
(Ingo Arend, Freitag 51, S.20)

…sagte der Dr. PC über Kollegin BF: „Sie geht nicht im Geschirr“. Stimmt: Die flirtet ziemlich unelektronisch, in engagierter Echt-Zeit.

Möglich ist es ja,

daß jemand auf der Fahrt von Halle nach Erfurt von der Autobahn abfährt, weil er denkt: Besser jetzt tanken als mit leerem Tank auf der Autobahn liegenbleiben. Es ist vielleicht schon dunkel und die Ausfahrt verweist auf zwei Orte, deren Namen dem Autofahrer nichts sagen. Er fährt „nach rechts“, nach 1 km über Schotterstraßen (30 km/h) ein kleiner Flecken, verlassen, nur ein Bus wartet auf der Dorfstraße. Der Fahrer wendet und versucht es mit der Rückkehr zur Autobahnausfahrt und fährt jetzt „nach links“. Es sind 4 km über eine unangenehme, kurvige Schotterstraße bis schließlich ein Dorf auftaucht. Am Ende des Dorfes Panik und Hoffnung: Eine Autoverwertungsfirma für Fahrzeuge aller Art. Dort brennt noch ein Licht. Die Auskunft: Die Tankstelle befindet sich in Bucha, d. h. man hätte doch „nach rechts“ fahren müssen, „Richtung Jena“ (es gibt nirgends ein Schild „Jena“). Aber, so einer der Kfz-Menschen, die machen um 18 Uhr zu (es ist 17 Uhr 50). Nein, so ein anderer, die machen glaube ich länger auf jetzt, bis 19 Uhr.
Der Schluß jetzt ganz schnell (auch wenn die Fahrt mit 30 km/h über die unübersichtliche, schottrige und kurvenreiche Straße noch etwas dauerte): Endlich dann erblickt der Jemand folgendes:
panikinbucha