Hegel und das Meer II

(…) Wegen dieser dialektischen Bewegung ruft der Philosoph Hegel, 2300 Jahre später, Heraklit preisend, aus: „Land!“ – „obwohl das Land Meer ist: Thálatta!“, kommentiert Ernst Bloch. Nach der Schlacht bei Kunaxa am Euphrat, 401 v.Chr., wo der Grieche Kyros d.J. seinem Bruder, dem Perserkönig Artaxerxes II. Mnemon, unterlag und selber fiel, führte der Schriftsteller und Geschichtsschreiber Xenophon die 10.000 führerlosen griechischen Soldaten durch Armenien ans Schwarze Meer und schließlich an den Hellespont. – Und die Soldaten stießen einen Freudenruf aus, es ist geschafft, endlich am Ziel:

„Thálatta! Thálatta!“
„Das Meer! Das Meer!“

Beides: „Thálatta, Thálatta!“, und „Land in Sicht!“ ist der heraklitsche „Streit“, die Dialektik von Bewegung und Ruhe, das Eine nicht ohne das Andere. Aber Land ist Land, Küste ist Küste, Insel ist Insel, weil Wasser diese dazu macht – Land frei lässt, Insel schafft. Meer kann ohne Insel sein, aber keine Insel ohne Meer. „Das Wasser kann ohne Fische auskommen, aber kein Fisch ohne Wasser“ (Chinesisch).

Quelle: Usedom…

Einmal ist keinmal

Ich gehe in eine Buchhandlung, schlendere ein bisschen herum und beobachte die Leute, die etwas ratlos vor den großen Bücherstapeln stehen. Dutzendfach liegt da dasselbe Buch vor ihnen, und ich erinnere mich an die Vorstellung, die ich als Kind von meinen Büchern hatte. Ich glaubte damals, sie seien alle für mich geschrieben und es gäbe sie nur ein einziges Mal. Wie könnte jemand auf einen solchen Gedanken kommen, fragte ich mich, wenn er diese mannshohen Büchertürme sieht?

Aus: Markus Seidel, Umwege erhöhen die Ortskenntnis

Kategorienerläuterungsgebrauchsanleitung

Ich habe eine neue Kategorie eingführt: Bücher über Bücher. Jetzt sollte und müsste man das ja eigentlich gar nicht erläutern. Dürfte noch nicht mal, steht ja für sich selbst. Ich erwähne also an dieser Stelle lieber nicht, und wenn doch, dann nur äußerst beiherspielend, dass ich mit „Bücher über Bücher“ nicht besonders viele, womöglich gestapelte, Bücher meine: sondern, wenn in Büchern was über Bücher (als solche) steht.
Andersherum jedoch eröffnet sich eine Frage: Wie oft kommt es vor – wenn man mal darauf achtet – dass in einem Buch NICHTS über Bücher / Bücher Lesen geäußert steht? Verifizieren bzw. falsifizieren läßt sich das a) nur durchs manische Bücher Lesen und b) durch so genaues Lesen, dass selbst bei einer Überprüfung, Seite für Seite, nie, nie und nochmals nichts über Bücher geschrieben steht.
Ich sach jetzt mal einfach, viele Bücher gibt es nicht, die die Bedingungen ihrer eigenen Produktion so wegerzählen, dass man sie nicht an irgendeiner Stelle findet. Die Wette gilt.

Aufklärung

Das Gefährlichste aber, vor dem er [der Vater] auf das Schärfste warnen wollte, der einzige Faktor, der ganze Kompanien armer junger Seelen in den Nebel des Wahnsinns getrieben habe, das war das Bücherlesen. Diese schlechte Angewohnheit war in der letzten Generation immer üblicher geworden, und Vater war ungemein dankbar, weil ich selbst bis jetzt derartige Tendenzen nicht gezeigt hatte. Das Irrenhaus war überfüllt mit Leuten, die zu viel gelesen hatten. Einmal waren sie wie du und ich gewesen, körperlich kräftig, ohne Ängste, zufrieden und im Gleichgewicht. Dann hatten sie angefangen zu lesen. Meist aus irgendeinem Zufall heraus. Eine Erkältung mit ein paar Tagen Bettruhe. Ein schöner Buchumschlag, der die Neugier weckte. Und plötzlich war die Unsitte geboren. Das erste Buch führte zum nächsten. Und zum nächsten und wieder nächsten. Glieder einer Kette, die geradewegs in die ewige Nacht der Geisteskrankheit führte. Man konnte einfach nicht aufhören. Das war schlimmer als Drogen
Aus: Mikael Niemi, Populärmusik aus Vittula

Nur zur Information: Die anderen Gefahren, vor denen der Vater seinen pubertierenden Sohn hier warnt, sind:
Unglückliche Liebe (Niemals sollte ein Mann eine Frau mit ?Sexualangst? begehren)
Grübeleien
sowie: Nachdenken über die Religion.
Am schlimmsten aber: s.o.

dsl II

am abend des 22.4. leuchtete am router bereits ein grünes licht: das zeichen der hoffnung, weihnachten naht. den 23. mit den versuchen verbracht den dsl-zugang zu starten, schließlich aufgegeben und die telekom angerufen. nach hin und her, zuständigkeiten, infos über meßergebnisse („von technischer seite ist alles ok, wir haben alles gemessen“) schließlich bei t-online gelandet: „wir haben hier keine dsl-zugangsdaten für sie eingetragen. die beauftragung aus dem internet haben wir hier nicht. das schnellste wird sein, wir nehmen den auftrag jetzt hier telefonisch auf, dann haben sie in ein paar tagen die unterlagen und können loslegen.“
es ist dienstag, der 27.4.: zwar ist noch keine post von t-online gekommen, dafür bricht am nachmittag die verbindung über isdn zusammen. anrufe bei telekom und t-online: „ja, mit den alten t-online zugangsdaten geht nichts mehr, sie erhalten neue zugangsdaten für dsl, die sind gestern an sie rausgegangen. bis dahin geht erstmal nichts mehr, aber morgen müßte der brief bei ihnen sein.“
fluchen, zugang zu freenet aktiviert, spaßeshalber auch noch einmal den t-online-zugang versucht: oh wunder, jetzt geht plötzlich wieder alles, trotz „alter“, angeblich ungültiger zugangsdaten.
mittwoch, 28.4.: dsl-zugangsdaten von t-online sind nicht bei der post.

Hegel und das Meer

Ob Hegel jemals das Meer gesehen hat, fragt sich der Anker „dem das Leben entstammt, das Meer, siebzig Prozent der Oberfläche unseres Planeten, kommt in der deutschen Philosophie nicht vor!“ Rolf Hochhuth, Atlantik-Novelle

auf einem wiedergefundenen Zettel notiert, der Frage aber noch immer nicht nachgegangen …

KampfGeschlechter

F. ist türkischer Herkunft und 17. Er hat eine missratene Schullaufbahn.und keinen Ausbildungsplatz . Mit seinen dunklen Locken und seinem offenen Gesicht sieht er fast aus wie ein junger VIVA-Star. Er hingegen treibt sich am liebsten in der Küche rum und wenn ihn ein Mädchen interessiert, will er ihm Essen servieren. Vor allem steckt er voll erfrischender Theorien.
Wir sprechen darüber, wie Jugendliche in der deutschen Nachkriegszeit gelebt haben, über Geschlechtertrennung, Tabus und Prüderie. F. meint, das sei aber auch nötig gewesen. Häh, warum? Ja, damals, da hätten die Leute voller Stress gesteckt, nach dem Weltkrieg, da hätten die das nicht auch noch verkraftet, diesen Stress da zwischen Männern und Frauen. Ja, Männer? die wärn wie im Tierfilm und Frauen?.äh, ganz anders. Heute hätten die Leute Geld und Frieden und seien entspannt, da könnten sie diesen Stress halt halbwegs ertragen.

HUH!

Indes der Stolze lässig dagesessen
Drang er in Mädchen mit Verführerblicken
Sah täglich zehn und hatte zehn vergessen
Doch wollte jede ihn so gern beglücken.

Daß er nachts träumt von einer Riesenkuh
Und seine Unschuld fahndet nach dem Grund
Der Lüsternheit, indes ihn jene immer
Schmählicher unterwerfen. Immer schlimmer
Wie eine große Hündin spielt mit einem kleinen Hund.
H u h !
Ernst Fuhrmann