Unbewusst Erinnertes, was man nie gewusst hat…

gibt es das?
Es ist ganz klar: Das kann es nicht geben. Sonst landet man bei C.G. Jung, der aber für so Konkretes, wie das, um das es hier geht, nicht zuständig ist – oder dann gleich bei solch esoterisch – undurchschaubaren Phantasmen, ach ne. Andere Baustelle.

Jedenfalls: Als wir einmal über den Vorbesitzer des Etablissements nachdachten und seinen Namen suchten, riet mir eine Intution zu sagen: Selim Özdogan Du sagtest, irgendwie nah dran. In Wirklichkeit heißt der Gesuchte ganz anders, die einzige Übereinstimmung war das Türkische des Namens, obwohl der Name des Gesuchten noch nicht mal so türkisch ist.
Selim Özdogan
Heute entdecke ich bei meinem Schlurfen durch amazon, eben in direkter Linie zum Herrn, der vom Leben und Mehr titelt, einen Autor: Selim Özdogan.
Man wird alt: Ich könnte schwören, ich habe von dem noch nie was gehört, ihn nur erinnert.

Wenn das Leben ein Strand ist

… sind die Frauen das Mehr.
Tazacorte

Das ist ein Buchtitel – aber natürlich auch eine edle Spende für die Nole-Sammlung von Sentenzen zum Thema.

Ebenfalls ein sehr ansprechender Buchtitel:
Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen. Spricht mich persönlich sehr an. (Grammatikalischer Lapsus – aber im Titel als stimmig erlaubt falsch.)

Beide Bücher sind von Michel Birbaek, von dem ich vorher noch nie gehört, geschweige denn gelesen habe. Aber man bleibt ja offen.

Oceano Mare

hörbar

Das habe ich gemeint.
Die Liebe zum Meer. Hören können. Punkt.

Leseprobe:
Denn niemand soll vergessen, wie schön es wäre, wenn es für jedes Meer, das uns erwartet, einen Fluss für uns gäbe. Und jemand – ein Vater, ein Geliebter, irgend jemand -, der uns an die Hand nehmen und jenen Fluss finden könnte – ihn sich erdenken, ihn erfinden -, um uns mit der Leichtigkeit eines kurzen Ausrufs auf die Strömung zu setzen: Leb wohl. Das wäre wahrlich märchenhaft schön. Es wäre sanft, das Leben, jedes Leben. Und die Dinge würden nicht schmerzen, sondern sich von der Strömung getragen annähern, man könnte sie zuerst leicht, dann fester berühren und sich schließlich von ihnen berühren lassen. Sich auch verletzen lassen. Daran sterben. Das ist nicht wichtig. Aber alles wäre endlich menschlich. Man benötigte nur irgend jemandes Phantasie – die eines Vaters, eines geliebten Menschen, die von irgend jemandem. Der würde einen Weg erfinden, hier mitten in dieser Stille, auf dieser Erde, die nicht sprechen will. Einen gütigen und schönen Weg. Einen Weg von hier zum Meer.

Diesseits ist Jenseits

Zuerst der Kauf von lettre wg. der Krahl-Anzeige. Dann auf dem Weg an den Büchterstapeln vorbei fällt der Blick einzig auf "Die Pendragon-Legende" von Antal Szerb. Ich denke aus einem unklaren Grund an Oktogon, merke mir das Buch vor. In der U-Bahn der Blick auf die Lettre. GEISTERGESPRÄCHE. Erinnerungen an Derrida, Hamvas, Milosz von Hélene Cixous, Gabor Altorjay, Seams Heaney. Ich überlese das Wort "von" und lese nur eine Namensliste von Erinnerten. Gabor Altorjay ist tot. Ein Schrecken, der ein Weiterlesen unmöglich macht. Ein Erinnern. Heute lese ich endlich die lettre, Gabor ist nicht tot. Sein Artikel über Béla Hamvas beginnt so: "Meine Tante Ròzsika in Budapest, kurz vor ihrem Tod mit 97, wurde wütend, als ich sie nach Béla Hamvas, dem Autor des 1.500-Seiten-Romans Karneval befragte. Sie wollte ihm nicht verzeihen, daß er ihren Freund Antal Szerb 1944 "in den Tod geschickt" habe." Diesseits ist Jenseits (Hamvas)

Einmal ist keinmal

Ich gehe in eine Buchhandlung, schlendere ein bisschen herum und beobachte die Leute, die etwas ratlos vor den großen Bücherstapeln stehen. Dutzendfach liegt da dasselbe Buch vor ihnen, und ich erinnere mich an die Vorstellung, die ich als Kind von meinen Büchern hatte. Ich glaubte damals, sie seien alle für mich geschrieben und es gäbe sie nur ein einziges Mal. Wie könnte jemand auf einen solchen Gedanken kommen, fragte ich mich, wenn er diese mannshohen Büchertürme sieht?

Aus: Markus Seidel, Umwege erhöhen die Ortskenntnis

Kategorienerläuterungsgebrauchsanleitung

Ich habe eine neue Kategorie eingführt: Bücher über Bücher. Jetzt sollte und müsste man das ja eigentlich gar nicht erläutern. Dürfte noch nicht mal, steht ja für sich selbst. Ich erwähne also an dieser Stelle lieber nicht, und wenn doch, dann nur äußerst beiherspielend, dass ich mit „Bücher über Bücher“ nicht besonders viele, womöglich gestapelte, Bücher meine: sondern, wenn in Büchern was über Bücher (als solche) steht.
Andersherum jedoch eröffnet sich eine Frage: Wie oft kommt es vor – wenn man mal darauf achtet – dass in einem Buch NICHTS über Bücher / Bücher Lesen geäußert steht? Verifizieren bzw. falsifizieren läßt sich das a) nur durchs manische Bücher Lesen und b) durch so genaues Lesen, dass selbst bei einer Überprüfung, Seite für Seite, nie, nie und nochmals nichts über Bücher geschrieben steht.
Ich sach jetzt mal einfach, viele Bücher gibt es nicht, die die Bedingungen ihrer eigenen Produktion so wegerzählen, dass man sie nicht an irgendeiner Stelle findet. Die Wette gilt.

Aufklärung

Das Gefährlichste aber, vor dem er [der Vater] auf das Schärfste warnen wollte, der einzige Faktor, der ganze Kompanien armer junger Seelen in den Nebel des Wahnsinns getrieben habe, das war das Bücherlesen. Diese schlechte Angewohnheit war in der letzten Generation immer üblicher geworden, und Vater war ungemein dankbar, weil ich selbst bis jetzt derartige Tendenzen nicht gezeigt hatte. Das Irrenhaus war überfüllt mit Leuten, die zu viel gelesen hatten. Einmal waren sie wie du und ich gewesen, körperlich kräftig, ohne Ängste, zufrieden und im Gleichgewicht. Dann hatten sie angefangen zu lesen. Meist aus irgendeinem Zufall heraus. Eine Erkältung mit ein paar Tagen Bettruhe. Ein schöner Buchumschlag, der die Neugier weckte. Und plötzlich war die Unsitte geboren. Das erste Buch führte zum nächsten. Und zum nächsten und wieder nächsten. Glieder einer Kette, die geradewegs in die ewige Nacht der Geisteskrankheit führte. Man konnte einfach nicht aufhören. Das war schlimmer als Drogen
Aus: Mikael Niemi, Populärmusik aus Vittula

Nur zur Information: Die anderen Gefahren, vor denen der Vater seinen pubertierenden Sohn hier warnt, sind:
Unglückliche Liebe (Niemals sollte ein Mann eine Frau mit ?Sexualangst? begehren)
Grübeleien
sowie: Nachdenken über die Religion.
Am schlimmsten aber: s.o.