Macht nichts!

Das Hören kommt einem über die Lippen wie ein verbotenes Wort, aber man kann es nicht erschrocken zurücknehmen. Es liegt auf dem Tisch und wird geschnitten. Es blutet nicht. Es verschwindet nicht. Es ergibt ein tadelloses Bild, aber eben ein unsichtbares, und zwar für jeden, auch für den, der sehen kann. (…)
Hören ist Denken, und Denken kann man sowieso alles. Am liebsten denkt man, was man nicht denken darf (…) Das Denken, das Hören kann gar nichts unbedingt wollen, denn wenn man etwas hört oder denkt, dann kann man ja gar nicht anders. (…)
Wenn Sie nicht hören können, müssen Sie fühlen. Es hilft nichts: Sie müssen aus dem Schein wieder heraustreten, in die Dunkelheit. (…)

Elfriede Jelinek: Hören Sie zu!

Sprache.Macht.Nix. (II)

Angenommen, ich hege gegenüber einer bestimmten Person ein starkes Gefühl und
bin mir nicht im Klaren, ob es sich um Neid, Eifersucht, gekränktem Stolz,
Konkurrenzgefühl, Hass oder Liebe handelt. Ich suche nach dem richtigen Wort. Ich komme
darauf, dass es Liebe ist. Indem ich das ‚richtige‘ Wort gefunden habe, habe ich mein Gefühl
geklärt. Das richtige Wort finden, heißt hier nicht einfach: eine richtige Beschreibung geben,
zumindest nicht nach dem Modell ‚Beschreibung eines sprach-unabhängigen Gegenstandes‘.
Ob mein Gefühl wirklich Liebe war, weiß ich daher, dass ich zur richtigen Zeit das richtige
Wort gefunden habe. Ich habe keine unabhängige Verifikation für diese Feststellung. Mit
‚Liebe‘ habe ich mein Gefühl artikuliert und geklärt. Ohne das richtige Wort hätte es keine
Klärung gegeben. Daher kann ich die Klärung nicht zum Kriterium für das ‚richtige Wort‘
machen.
http://home.arcor.de/heinrich.watzka/parole.skript.4a.pdf

Sprache.Macht.Nix (I)

Im Nachhinein zu sagen, man habe dieses oder jenes Gesagte zu wenig
hinterfragt, nicht so oder nicht ganz so (ernst) gemeint, reicht oft nicht
aus. Denn: Wie immer es auch gemeint war, wenn es von Hörer/innen
anders verstanden oder empfunden wird, ist es zumindest problematisch.
Ganz besonders dann, wenn die Betroffenen sich nicht nur
negativ ‚betroffen fühlen‘, sondern durch ein so herbeigeredetes gesellschaftliches
Klima von den Auswirkungen einer menschenverachtenden
Politik auch ‚betroffen werden‘.
Der Politik und ihrer Rhetorik fällt wegen ihrer Öffentlichkeit und der medialen
Breitenwirkung in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Verantwortung zu. Politische Rhetorik setzt sich immer wie der der Kritik aus,
mit Verbalinjurien, Diffamierungen oder emotional geleiteten Sprachbildern
von den tatsächlichen Sachproblemen abzulenken und damit gleichsam
einen Schutzmechanismus vor der sachlichen Auseinandersetzung
aufzubauen. Mit einer Versachlichung der politischen Rhetorik könnte
nicht nur eine Ent – Emotionalisierung des allge meinen Sprachgebrauchs
einhergehen, sondern auch ein wesentlicher Beitrag zur sach- und
problembezogenen Auseinandersetzung geleistet werden .
Aus allen diesen Gründen ist die „Frage der Wortwahl“ weit weniger
harmlos, als wir oft annehmen.

http://www.bmbwk.gv.at/medienpool/1019/MachtSprache.pdf

Soli-Sonntag

Auch ich war gestern solidarisch:
Mit den Obdachlosen, indem ich den halben Tag durch die Stadt tobte, als hätte ich kein Dach überm Kopf
Mit Kuba – wieder den ganzen Tag kein Coca Cola getrunken
Mit Arcor – denen ich ihren Verdienst gönne und deswegen das Problem nicht mehr zur Sprache bringe
Mit Nole – indem ich nicht auf das Funny van Dannen-Konzert gegangen bin

Es macht mir viel Spaß solidarisch zu sein.

Problemträger

Problemträger sitzen rum und grübeln sich in die Vergangenheit. Sie sind krankhaft besessen von der Ursachenforschung: Wo ist ihr Problem entstanden?
Problemträger sind anstrengend.
Optimisten sind manchmal gnädig und geben sich trotzdem mit Problemträgern ab. Predigen eine Zukunft, zu der sie sich nicht äußern müsen, sie finden es gut, dass sie kommt und noch nicht war.
Problemträger weinen sich in den Schlaf, während Optimisten sich ein Ei auf ihrer Solidarität backen.
MIR wäre es gerne egal.

Untergehen.Abstürzen.Weiterleben

Einmal war ich im Urlaub. Das Kemenatenfenster in Tazacorte ließ bereits am ersten Tag einen Regenbogen sehen, der vom strammen Lavaberg ins Meer strömte. Nachts träumte ich oft schwer vom Büro, in diesem Fall aber vom Erfurter Domplatz: Im Dunkel sendete ein kreisendes Flugzeug regenbogenartige Fontänen neonleuchtend auf den Platz. Mehrere Loopings, dann stürzte das Flugzeug ganz überraschend, ganz erschreckend, ganz langsam ab.
Freundin U. aus F. sagt, sie kenne den Traum, den man träume, wenn alles auf einen einstürzt. Aber das Flugzeug erwischte mich nicht, erschrocken war ich dennoch.
Im Museumskeller hörte ich eine Halbzeit lang dem ostdeutsch-identischen Duo „Pension Volkmann“ zu. Eine Liedzeile: „Er bastelt an Regenbogen im Dunkeln.“ Das fanden die wohl irgendwie toll, ich nicht. Ich glaube es war das Lied :“Ich vergaß“ – Jener Typ, der immer alles vergisst, was er mit seiner Liebsten ausgemacht hat. Gerade kommt es mir aber so vor, als könnte es auch sein, dass ich zwei Lieder miteinander vermische.
Ansonsten gab´s im MK verstörte junge Frauen und verstörende alte Männer.
Und mir gelingt es anscheinend nicht, das durchaus vorhandene Regenbogenbild hier hoch zu laden. Warum auch immer. Aber Warum-Fragen sind ja sehr up to date.

Korrektur

Dass Schiffe untergehen kann beobachtet werden. Es ist kein Trost für den Zuschauer, daß er nicht das Schiff ist. Auch wenn es vorbeifährt.
Nachher ist es vermutlich überraschend – vorallem für uns selbst – wo uns der Mut fehlte: Das unvollständige Gedicht von Marina Zwetajewa zum Beispiel.
Nein danke, jetzt keinen Kaffee, bitte.