Anfrage eines Interview-Termins

… Wir würden uns sehr freuen, Sie (…) für ein Interview zu gewinnen. (…) Zu ihrer Vorab-Information haben wir Ihnen einen Fragenkatalog zusammengestellt.
(…)
* Welches, vielleich auch ferne Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Tätigkeit? Was wird sie für Natur und Mensch in Zukunft leisten können? (…)
* Welche Themen oder welche Forschung müsste die Wissenschaft unbedingt intensiver vorantreiben?
(…)
* Welchen Beruf hätten Sie auch gerne ausgeübt?

Ich gebe zu, über die Antworten denke ich noch nach, nur bei der letzten Frage habe ich schon ein Ergebnis: Kabarettist. Weitere Antworten demnächst bei www.s4frm.de

Heimatgurken

Und zuletzt drängt es mich anzufügen, dass ich aus Jürgen Beckers Prosa Einsicht gewonnen habe, kennen gelernt habe eine Liebe, eine andere Liebe zu Deutschland, mit Betonung auf »Land«, auf »Länder«, eine zögernde, herzhafte, sorgsame Liebe, zu den Chausseen im Osten, zu dem Bergischen Land im Westen, eine schmerzhafte, kindliche, untröstliche Liebe, die so gar nichts im Sinn hat mit dem »Stolz auf Deutschland«, eine, ja, Heimatliebe, die beim Lesen sogar Lust auf das deutsche Essen und Trinken machen kann, auf »Spiegeleier mit Bratkartoffeln«, auf einen »Batzen Leberwurst«, »Gurken« (aus dem Spreewald, genannt »Spreelinge«), einen »Korb voll Brot«.

Ein Findling. Für Heinrich Grün, der mir so viel durchgehen läßt (auch den falschen Vornamen „Peter“). Der obige Autor ist vermutlich bekannt. Er hat, für die, die nicht alles googeln, den einen „Heinrich-„-Preis nicht bekommen.
Nachtrag 2014: Der Autor des obigen Zitats ist Peter Handke. Das Zitat ist entnommen seiner Laudatio auf Jürgen Becker.

Lesungen mit cm-Angabe

Nein, nicht was sie denken. Es handelt sich nicht um eine Lesung im Swinger-Club oder in der Venus-Bar, sondern um ein Projekt in Frankfurt, bei dem die Größe der Bücher der vortragenden Autoren in cm angegeben werden („also, auf Bücher, die nur 23 cm groß sind habe ich heute keinen Bock“) – selten, aber auch wieder schön. Leider funktionerte der Link auf diese Seite nicht und dennoch sei er hier hingeschrieben, vielleicht gibt es die Webseite ja doch noch: www.wiesengrund-ffm.de

Adorno und Hiroshima

Ich wurde um eine Fortsetzung gebeten. Das fällt mir nicht ganz leicht, allein schon wegen der lauernden Frage: Was muss ich schützen? Die Erfahrung, einmal recht offenherzig geplaudert zu haben und dann ziemlich instrumentalisiert worden zu sein, sitzt tief…

In dieser Zeit, gemeinhin Adoleszenz genannt, lernte ich das Verlassen. (Über lange Jahre sollte ich es zu reichlicher Meisterschaft dabei bringen.) Denn die Zeit der Möglichkeiten in der engen kleinen Stadt war gezählt ? und damit war es auch Zeit, den eng gewordenen Lehrkosmos des ersten Wanderpredigers aufzusprengen. Seine Wohnung nahe des Gymnasiums war weiterhin ein sicherer Ort ? doch die Faszination ließ nach. (Wirklich interessiert hielten sich nur die Blicke der Eltern, die sich unverdrossen vor dem jugendgefährdenen bärtigen Dämon fürchteten.)
Er selbst hatte uns, möglicherweise bei Linsen und selbst gemischtem Tee, überzeugt, Seminare in einer kirchlichen Bildungsstätte zu besuchen.
Hier wehte uns eine andere Luft, die der Theorie, eine seltsame Mischung aus Abstinenz und rauschhaftem Zugewinn. Verspätet, wie Vieles in der Pfalz, dafür aber hartnäckig sich einpflanzend in recht feurige Köpfe, wurde nun Adorno und Benjamin, Marx und Hegel und Krahl und Pohrt geboten. Der nächste Wanderprediger ? der Hauptamtliche dieser Bildungsarbeit – war keiner, eher ein strikter Moderator des kritischen Denkens. Wir selbst begannen zu wandern und zu predigen, fuhren in Autos, die sich auf dem Weg in gefährlicher Weise zerlegten, aus den Orten in der Prärie herbei. Missionarisch zogen wir über die Pausenhöfe, um tumbe Mitschüler wach zu rütteln und verwickelten uns in völlig erfolglose Belehrungen unserer verblendeten Eltern. Denn tatsächlich ? und dafür werde ich immer dankbar sein ? eröffneten sich ganz neue Perspektiven. Perspektiven dafür, wie der eigene Kopf, angeleitet durch die Dokumente des bereits Gedachten, einem steten mulmigen Gefühl würde trotzen können: Denn irgendetwas stimmte ja tatsächlich nicht in der Welt. Und so war es erstaunlich, dass es sich in Worte fassen ließ. Adornos Aufsätze in schmalen Suhrkamp-Bändchen hatten wir nun immer in der Tasche, mit unterschiedlichem Fleiß wurden Sätze unterstrichen.
Schwierig war es gleich wohl: Eine Zeit aufsehenerregender Initiation, gekoppelt jedoch mit einem kritischen Nein, so schien es, zu allem freudig Naiven. Unsere Lehrer außerhalb der Bücher waren keine Adoleszenztheoretiker ? und sie stellten sich nicht die Frage, welch Chaos an Lust und Schmerz dieser Jugendjahre beiseite geschoben wurde, untheoretisierbar in dieser Art ? und dennoch nicht wich. Einmal zerlegte ich mich in dieser Zeit in einen nicht aufhören wollenden Heulkrampf, da nichts mehr möglich schien, in einfacher Freude und Euphorie zu erleben.
In einem fein gesponnenen System gab es Hierarchien unter den Erleuchteten, die sich gegenseitig übertrumpften und belehrten. Der Überflieger schlecht hin studierte bereits in Hannover und fand bisweilen die Zeit, aus der entfernten Großstadt zu kommen und zu uns zu sprechen. Er brachte selbst den Pfälzer Hauptamtlichen dazu, hektisch zu nicken und sich in den eigenen zustimmenden Worten zu verhaspeln.
Wir fuhren nach Salecina. Spät habe ich dies gefunden: „Besonders liebevoll registrierte die Polizei Jugendgruppen, beispielsweise die „Evangelische Schülerarbeit Pfalz“ oder eine „Jugendgruppe Thalwil“. In den Akten figurieren unzählige Minderjährige. Jürg Frischknecht, Salecina Jubiläums-Dokumentation, 1997. Das erfüllte mich mit spätem Stolz, wie ?ernst? man doch genommen werden kann? Vielleicht waren ja auch die Hubschrauber doch vom Verfassungsschutz?
Die meisten von uns waren erfüllt von Liebesleiden und Liebesbändeln, Verhandlungen unter Nachthimmeln, die näher und strahlender waren als jemals gesehen. Das strikte ?einen Gott gibt es nichts, jetzt komm mir nicht damit? unseres kleinstädtischen Religionslehrers wurde abgelöst durch Studien einer negativen Theologie, eines abwesenden Gottes, fehlende Gewissheiten als einzige. Soviel Sonne und Erhabenheit der Gebirgszüge ließen eine wirklich schwarze Stimmung nicht aufkommen. (Von unten aus Sils wehte die Erinnerung an Nietzsche.)
Und doch kam es irgendwie zum Eklat mit den anderen Teilzeitbewohnern der kleinen Hütten, mit denen Putz- und Kochdienst zu teilen und des Abends gemeinsam ein Plenum zu bestreiten war. Den Eklat kann ich beim besten Willen nicht mehr rekonstruieren. Er hatte etwas mit dem gemütlichen Gutmenschentum der anderen zu tun ? und den wenig gemütlichen Auftritten einiger Pfälzer Hauptakteure. Der 6. August muss es eindeutig gewesen sein, als wir das Plenum lediglich mit dem Hinweis auf den Todestag Adornos und den Jahrestag der Atombombe von Hiroshima gestalteten, und aus irgendeinem Grund wurde das als außergewöhnlich arrogant aufgefasst. Gleichzeitig wurden ökologische und feministische Versäumnisse unserer Vorderen bemerkt und gegeißelt, denen von da an die Provokation in ökologischer und feministischer Hinsicht ein bisschen sehr flott auf der Zunge lag. Das war zwar witziger als die dicker werdende Moralsuppe um uns rum, aber nicht wirklich sinnvoll. In diesen Querelen hielt der kleinstädtische Religionslehrer zu den ?Anderen?, und mit ihm nur zwei, drei, die zur Treue begabter waren als ich. In dieser Zeit, gemeinhin Adoleszenz genannt, lernte ich das Verlassen. (Über lange Jahre sollte ich es zu reichlicher Meisterschaft dabei bringen.)