Querverbindungen gesucht

Die Schriftstellerin Annett Gröschner würde gern ihr Leben als Quotenostfrau beenden – wenn man sie nur ließe. „Zur Ostdeutschen gemacht wurde ich erst am 9. November 1989. Vorher hielt ich mich für eine Individualistin, die kein Interesse daran hatte, in den Westen zu gehen. Plötzlich steckte ich in einem Sack zusammen mit Volkspolizisten, Pionierleiterinnen, HO-Verkäuferinnen und Genossenschaftsbauern … Ich würde jetzt den Sack gerne verlassen und mich anderen Themen widmen, beispielsweise den Strukturproblemen in Südwestdeutschland, dem öffentlichen Transportwesen in Buenos Aires oder der Geschichte des westdeutschen Terrorismus.“

Die Tageszeitung, 15.12.2004

Beleidigte Ostfrau

Dieser einigermaßen unlogische Satz
Wenn die Männer oder die Frauen so empfindlich wären wie die Ostdeutschen, wären einige der besten Bücher niemals geschrieben worden. schließt den Artikel ab, der endgültig beweist, warum ich mich hier so gut integrieren kann: Es gibt eben diese Empfindlichkeitskompetenz aus der Mimosenoffensive, die ich durchaus leistungsstark mitbringe, sodass diese leichten Beleidigtheiten bei mir schon ausbrechen, wenn der Mitblogger alle möglichen Kreativitäten entwickelt – außer hier: bitte, dann mache ich es eben alleine.
Kurz und gut, man kann sich für jede Charakterneigung einen geeigneten Landstrich suchen, für Empfindliche empfiehlt sich der deutsche Osten. Blöd isses nur, wenn man dann real aus den gebrauchten Bundesländern kommt, was in aller Regel sehr flink bemerkt wird: Dann nämlich darf man nicht nur nicht mitmachen, sondern ist auch noch ständig Objekt der beleidigten Abweisung der verehrten Ureinwohnerschaft.
Da staut sich dann natürlich einiges an – das man dann am Wochenende in den Westen trägt: Dort endlich kann ich Teilzeit-Ossi dann mal so richtig auf meine Kosten kommen.

Ich wollt ich wär ein Pflasterstein…

dann könnt ich schon im Westen sein.

Dies sei einer dieser typischen DDR-Sprüche gewesen, höre ich. Irgendwann hatte der prosperierende Westen festgestellt, dass er ein paar hübsche Altstädtchen aufmotzen müsse. Mithilfe des gefürchteten Kopfsteinpflasters. Man hatte die Steine nicht und kaufte sie locker, aber für die Gegenseite durchaus interssant, im Osten ein. Dort wurden munter irgendwelche Steine aus dem Boden gerissen und für gute Devisen verkauft. Heute weiß mal wieder keiner, für wen das jetzt peinlicher war.

police entertainment

Das Highlight der morgendlichen Fahrt zur Arbeit findet bei exakter Einhaltung des Zeitplans kurz vor Schmira statt. Dann kommt auf MDR Thüringen der „Polizeibericht“. Sieht man davon ab, dass bisweilen auch wirklich Schlimmes passiert ist, ist das eine sehr lustige Sendung. Aus verschiedenen Regionen und Städten Thüringens lesen Polizeibeamte die in ihrem Haus protokollierten polizeilich relevanten Ereignisse der vergangenen Nacht vor. Es wurden diejenigen Beamten ausgewählt, die flüssig lesen können, aber manche sprechen breitesten Dialekt.
Und man könnte die Lehrplaneinheit „Wie schreibe ich einen Poliziebericht?“ damit perfekt gestalten. Zum Beispiel ein wunderbarer Anfangssatz: „Mit einem Krankenhausaufenthalt endete gestern Abend ein Streit.“ (Es folgen Hauptteil und Schluss.) Eine sehr gute Geschichte gestern. Zeugen hatten einen Diebstahl auf einer Baustelle bemerkt. Polizeibericht: „Als die Beamten zum Tatort kamen, waren sie gleich zweimal überrascht. Erstens: Dass sie dort eine Frau antrafen. Zweitens: Dass es sich bei der Frau um einen verkleideten Mann handelte.“