Muttertag

Ich gehe sonntags ins Kino, und es ist der ganz große Zufall ? wenn es denn einer ist ? dass ich mir ?Elling ? Nicht ohne meine Mutter? ausgesucht habe. Ich merke auch im Kino erst den fatalen Zusammenhang. Pärchenbildung mal anders: Auch schon halb ergraute Menschen haben alle ihre Mütter im Schlepptau, die in der Regel schwer zurecht gemacht und wohlgelaunt hinter her tippeln. Welch Traditionspflege es in der Großstadt gibt! Vor mir eine ganz besondere Kombination: Ein schwules Paar, Sitzordnung:Sandwich, links die eine Mutter, rechts die andere, mittendrin die aufgeregten Söhne. Die Mütter quasseln hinter dem Rücken und vor den Hemdkragen ihrer Jungs begeistert aufeinander ein. Den Film selbst muss man nicht unbedingt gesehen haben, aus dieser einen Idee des Muttersöhnchens lässt sich denn doch nicht soviel Überraschendes heraus holen. Wenn schon, dann aber in dieser Kombination: Und die gab´s wohl nur heute.

KampfGeschlechter

F. ist türkischer Herkunft und 17. Er hat eine missratene Schullaufbahn.und keinen Ausbildungsplatz . Mit seinen dunklen Locken und seinem offenen Gesicht sieht er fast aus wie ein junger VIVA-Star. Er hingegen treibt sich am liebsten in der Küche rum und wenn ihn ein Mädchen interessiert, will er ihm Essen servieren. Vor allem steckt er voll erfrischender Theorien.
Wir sprechen darüber, wie Jugendliche in der deutschen Nachkriegszeit gelebt haben, über Geschlechtertrennung, Tabus und Prüderie. F. meint, das sei aber auch nötig gewesen. Häh, warum? Ja, damals, da hätten die Leute voller Stress gesteckt, nach dem Weltkrieg, da hätten die das nicht auch noch verkraftet, diesen Stress da zwischen Männern und Frauen. Ja, Männer? die wärn wie im Tierfilm und Frauen?.äh, ganz anders. Heute hätten die Leute Geld und Frieden und seien entspannt, da könnten sie diesen Stress halt halbwegs ertragen.

HUH!

Indes der Stolze lässig dagesessen
Drang er in Mädchen mit Verführerblicken
Sah täglich zehn und hatte zehn vergessen
Doch wollte jede ihn so gern beglücken.

Daß er nachts träumt von einer Riesenkuh
Und seine Unschuld fahndet nach dem Grund
Der Lüsternheit, indes ihn jene immer
Schmählicher unterwerfen. Immer schlimmer
Wie eine große Hündin spielt mit einem kleinen Hund.
H u h !
Ernst Fuhrmann

Schmetterlinge können nicht weinen…

Kamele schon: Das weiß ich aus dem Kino.
In einem anderen Film weint ein Kind so herzerweichend und trostlos, wie´s nur geht.
Zwei Filme haben wir gesehen in jüngster Zeit, mit einem buddhistischen Hintergrund, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Die harte und schroffe und schonungslose Variante kommt aus Korea und heißt: Frühling, Sommer, Herbst und Winter ? und wieder Frühling. Buddhismus als ewige Wiederholung triebhafter Gefährdungen und als ewige Wiederholung der Versuche, sie in Ritualen zu bannen. Es gibt kaum einen Unterschied zwischen Berührung und Mord, zwischen Emotionalität und Verhängnis. Mensch und Tier sind nicht unversöhnt, sondern unversöhnbar, ziehen sollipsistisch ihre Kreise, verweisen aufeinander als und in Symbolen und laden so eine Handlung auf, in der die Urgewalten wüten. Das mütterliche Prinzip ist aus der großen Ästhetik des Kalten und Deutlichen verschwunden. Der trostlose Knabe entbehrt der Mutter, er wird die Gattin töten und in unmittelbarer Nähe sein, wenn eine gesichtslose Mutter ins Eis einbricht und ihr Leben in der großen Kälte verliert.
kleebild
In der Kino-Mongolei hingegen, in der sogar ein weinendes Kamel seine Geschichte hat, ist der Fürsorgezusammenhang zwischen den Generationen und zwischen Mensch und Tier fast nahtlos. Ein überfordertes Kamel entdeckt seine zunächst verweigerte Mutterliebe und braucht dazu herzerweichende Musik und viel menschliches Publikum. Sanfte Logik eines bescheidenen, irdisch gewordenen Märchens. Das kommt ganz ohne Symbole aus. Zwischen Ritualen und ihrer Bedeutung besteht kein Abstand. Eine idealisierende Liebeserklärung an eine untergehende Welt? Denn der Abstand zwischen Bildern und Realität kommt zum Schluss ins Nomadenheim: in Form des Fernsehens, auf Wunsch der jüngsten Menschengeneration. Und der kann man, in diesem Film, kaum etwas abschlagen.