Ich wollt ich wär ein Pflasterstein…

dann könnt ich schon im Westen sein.

Dies sei einer dieser typischen DDR-Sprüche gewesen, höre ich. Irgendwann hatte der prosperierende Westen festgestellt, dass er ein paar hübsche Altstädtchen aufmotzen müsse. Mithilfe des gefürchteten Kopfsteinpflasters. Man hatte die Steine nicht und kaufte sie locker, aber für die Gegenseite durchaus interssant, im Osten ein. Dort wurden munter irgendwelche Steine aus dem Boden gerissen und für gute Devisen verkauft. Heute weiß mal wieder keiner, für wen das jetzt peinlicher war.

Ergänzung zu einer Blogkategorie

Die Gemeinschaft der Pendler, die wir als eigentliche Gemeinschaft der Philosophen denken, besteht aus singulären Subjekten, die das Grenzgebiet zwischen …(etc.)
Pendler(…) sind Subjekte anhaltender Unruhe, permanenter Turbulenz.

meint Marcus Steinweg in einer Neuerscheinung bei Merve („Subjektsingularitäten“).

hitman

Ja, der Glaube. Es gibt Bemühungen, als Literalismus eine eigene Form von Ideologie oder Religion zu beschreiben. Literalismus heißt, in gewissen heiligen Büchern – die Bibel, der Koran, die blauen Bände der MEGA – ist unverrückbar die Wahrheit niedergelegt. Es kömmt nur darauf an, diese Bücher richtig zu lesen, aber dieses richtige Lesen stellt eine lebenslange und geradezu übermenschliche Aufgabe dar. Insbesondere kommt es auf wörtliches Verständnis an – wenn sich zwischen Marx Aufstellungen über die sinkende Profitrate und Hartz IV kein zwingender Zusammenhang ergeben will, umso schlimmer für Hartz IV! Marx Buch bleibt jedenfalls Wort für Wort wahr. Das Problem ist, dass du es nicht richtig zu lesen vermagst. Ebenso kann der Literalismus natürlich mit dem Koran verfahren. Oder den Büchern Rudolf Steiners.

Wir wussten nicht, als wir zu der Trauerfeier für O. in den Süden reisten, dass sie ihren Lebenssinn aus der Teilnahme an einem frommen Konventikel gezogen hatte, der ihre Jugendüberzeugungen konservierte. Bei dem anschließenden Empfang bekamen wir es mit einem Problem zu tun, das Marcel Proust im letzten Band der „Suche nach der verlorenen Zeit“ so eindrucksvoll schildert: Dieser melancholische ältere Herr dort, ja, der mit dem Schnauzer und der Pfeife, ist das nicht der ehemalige hitman von Hans-Jürgen Krahl, der seinerzeit Adorno philosophisch überholte und die Revolution anführen sollte? Und er hier, immer noch das selig-überlegene Lächeln im Gesicht, er wusste je schon alle Formen des falschen Bewusstseins, wie es die Welt regiert, aus dem Warenfetisch abzuleiten. Wie O. wurden er nie fertig; die Diplomarbeit, die Habermas Theorie als verqueren Ausdruck der Warenform deutet, wächst vermutlich als Zettelkasten immer noch vor sich hin.
taz Nr. 7468 vom 22.9.2004, Seite 11, 249 Zeilen (Kommentar), MICHAEL RUTSCHKY

police entertainment

Das Highlight der morgendlichen Fahrt zur Arbeit findet bei exakter Einhaltung des Zeitplans kurz vor Schmira statt. Dann kommt auf MDR Thüringen der „Polizeibericht“. Sieht man davon ab, dass bisweilen auch wirklich Schlimmes passiert ist, ist das eine sehr lustige Sendung. Aus verschiedenen Regionen und Städten Thüringens lesen Polizeibeamte die in ihrem Haus protokollierten polizeilich relevanten Ereignisse der vergangenen Nacht vor. Es wurden diejenigen Beamten ausgewählt, die flüssig lesen können, aber manche sprechen breitesten Dialekt.
Und man könnte die Lehrplaneinheit „Wie schreibe ich einen Poliziebericht?“ damit perfekt gestalten. Zum Beispiel ein wunderbarer Anfangssatz: „Mit einem Krankenhausaufenthalt endete gestern Abend ein Streit.“ (Es folgen Hauptteil und Schluss.) Eine sehr gute Geschichte gestern. Zeugen hatten einen Diebstahl auf einer Baustelle bemerkt. Polizeibericht: „Als die Beamten zum Tatort kamen, waren sie gleich zweimal überrascht. Erstens: Dass sie dort eine Frau antrafen. Zweitens: Dass es sich bei der Frau um einen verkleideten Mann handelte.“

Mikado

Thomas Kapielski, der wenn er nicht gerade Bier trinkt oder liest, dann, so steht es in der Zeitung, kann es sein, dass er einfach nur mal denkt: „Wie schön ein Regen ist!“ – „Solange man bloß kein Mikado anfängt! Dann ist es aus.“
FR 8.10.2004S. 46.